Abschaffung des Überbrückungsgeldes


Wer während der Haft arbeitet, erhält auch ein Arbeitsentgelt. Hieraus werden gebildet:

 

(1) das Hausgeld (§47 StVollzG). Es wird aus 3/7 des Entgelts gebildet und steht zum Einkauf innerhalb der Ansatalt oder sonstigen Ausgaben zur Verfügung.

 

(2) das Überbrückungsgeld (§ 51 StVollzG). Es wird aus den restlichen 4/7 des Arbeitsentgelts gebildet. Das Überbrückungsgeld ist unpfändbar. Die Höhe des anzusparenden Überbrückungsgeldes ist festgelegt und variiert in den Ländern (zum Teil erheblich). Das  Überbrückungsgeld selbst wird den Gefangenen erst bei der Entlassung zur Sicherung des Lebensunterhalts in den ersten vier Wochen ausbezahlt.

 

Die In Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz geltenden Landesjustizvollzugsgesetze sehen jedoch keine Bildung von Überbrückungsgeld mehr vor. Im Land Berlin ist die Abschaffung des Überbrückungsgeldes derzeit in Planung.

 

Hintergrund

Nach Begründung der oben genannten Bundesländer erfüllt das Überbrückungsgeld in vielen Fällen den  Zweck der Absicherung der Gefangenen in der Entlassungsphase nicht, sondern stellt sogar ein Wiedereingliederungshindernis dar. Nach Aussage der betroffenen Ministerien führt es nach der Entlassung sogar dazu, dass die für das Arbeitslosengeld II oder die Sozialhilfe zuständigen Träger den Gefangenen eine Leistungsgewährung unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 SGB II und § 2 Abs. 1 SGB XII verweigern.

 

Auch die fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit haben die gesetzliche Änderung bereits aufgenommen. So heißt es nunmehr in diesen:

„Das Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG, das Inhaftierte anlässlich ihrer Entlassung erhalten, soll zur Sicherung des Lebensunterhalts in den ersten Wochen nach Haftende beitragen. Es dient demselben Zweck wie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und ist demzufolge als Einkommen zu berücksichtigen (§ 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II). Sofern SGB-II-Leistungen noch im Monat der Haftentlassung beantragt werden ist das Überbrückungsgeld im Rahmen der Antragsrückwirkung des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu berücksichtigen; d. h. es ist auch dann Einkommen, wenn es bereits vor dem Entlassungstag oder vor dem Tag der Antragstellung zugeflossen ist.“

 

Zwei Aspekte in der Begründung der Justizministerien für die Abschaffung des Überbrückungsgeldes:

        (1) „ … führt die bestehende Rechtslage zu einer Benachteiligung von Gefangenen gegenüber nicht inhaftierten Menschen. Diese können nicht nur aus Arbeitseinkommen, sondern auch aus leistungslosem Einkommen Ansparrücklagen bilden, die als im Rahmen von Freibeträgen geschütztes Vermögen von der Anrechnung nach dem Sozialgesetzbuch II freigestellt sind. Aus diesen Gründen erfüllt das Überbrückungsgeld seinen ursprünglichen Zweck nicht mehr“.

     (2) „Die Abschaffung des nicht pfändbaren Überbrückungsgeldes führt im Übrigen dazu, dass zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen und so den Gefangenen ermöglicht wird, den durch die Straftat gerade verursachten Schaden wieder gutzumachen und eine Schuldenregulierung herbeizuführen“ 

 

Anmerkungen zu den Begründungen der Justizministerien

 

zu (1)

Da ein SGB II Antrag immer rückwirkend zum Beginn des Antragsmonats gilt, sollte ein Antrag auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe grundsätzlich erst im Monat nach dem Zufluss des Überbrückungsgeldes gestellt werden. Denn Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG wird bei Antragstellung auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe angerechnet. Allerdings dann nicht, wenn der Antrag erst zum Ersten des Monats gestellt wird, der auf die Auszahlung des Überbrückungsgeld folgt. Denn dann gilt es als sogenanntes „Schonvermögen“. Da kann es sich lohnen mit dem SGB II Antrag (einige Tage) zu warten.

 

Es bleibt also nur die Möglichkeit, den Antrag auf Leistungen erst im darauf-folgenden Monat (also im Monat nach dem Zufluss des Überbrückungsgeldes) zu stellen, will man eine Anrechnung des Überbrückungsgeldes vermeiden!

 

Dieses Problem ließe sich jedoch auch lösen, ohne das Überbrückungsgeld abzuschaffen:

  • Würde das Überbrückungsgeld als Vermögen gewertet werden, bliebe es aufgrund der Vermögensfreibeträge in den meisten Fällen anrechnungsfrei. 

 

zu (2)

Ob das zuletzt genannte Argument der Justizministerien tatsächlich greift, muss zumindest bezweifelt werden. Denn in der Realität (Erfahrungen des Autors in mehreren tausend Schuldnerberatungen für Strafgefangene) zeigt sich bundesweit fast durchgängig folgendes Szenario:

  • Durch die Strafverhandlung entstanden Gerichtskosten (oft auch in 5-stelliger EUR Größenordnung).
  • Da die Gerichts- bzw. Landesjustizkasse immer als erste Gläubigerin den „Aufenthaltsort“ des Inhaftierten kennt, kann diese auch als erste pfändende Gläubigerin ihre Forderungen anmelden (denn im Vollstreckungsrecht gilt der Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ – sogenannter Prioritätsgrundsatz). Daraus aber folgt, dass der durch die Straftat verursachte Schaden frühestens wieder gutgemacht werden kann, nachdem die Gerichtskosten voll beglichen sind.

Im Ergebnis scheint dieses Argument daher nicht stichhaltig. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass die Abschaffung des Überbrückungsgeldes vorrangig dazu dient, die angefallenen Gerichtskosten möglichst frühzeitig und möglichst vollständig zu erhalten. Dies muss wohl auch unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, dass Gerichtskosten in einem möglichen Insolvenzverfahren ja vollständig erlassen werden und die Justizkasse dann leer ausgehen würde.

 

Engagieren auch Sie sich gegen die Abschaffung des Überbrückungsgeldes im Rahmen der Petition